Die Inflation in Deutschland ist weiter rückläufig. Nach der vorläufigen Schätzung des Destatis-Instituts lag der Verbraucherpreisindex in Deutschland bei 2,2% gegenüber dem Vorjahr und damit um 0,2 Punkte niedriger als im Vormonat. Die von Factset befragten Analysten hatten mit einem Wert von 2,4% gerechnet, was dem Wert vom Mai entspricht. Der HVPI-Verbraucherpreisindex, der Vergleiche zwischen den Ländern der Eurozone ermöglicht, lag im Juni bei 2,5% gegenüber dem Vorjahr, während die Analysten 2,6% erwartet hatten, nachdem er im Mai um 2,8% gestiegen war.
In den detaillierten Daten, die von der EZB als Maßstab herangezogen werden, lag der harmonisierte Gesamtpreisindex bei 2,5% und damit ebenfalls unter dem Wert von 2,8% im Mai. Die Inflation ohne Nahrungsmittel und Energie, die von der Währungsbehörde ebenfalls genau beobachtet wird, lag im Juni bei 2,9%, gegenüber 3% im April und Mai, aber immer noch deutlich über der Kerninflation. Mit anderen Worten: Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Zahl das 2%-Ziel der EZB erreicht.
"Es wird noch Höhen und Tiefen geben, aber insgesamt geht der Trend in die richtige Richtung", kommentierte Fritzi Köhler-Geib, Volkswirtin bei der Investmentbank KFW. Zudem hätten die von Deutschland ab Mitte Juni organisierte Fußball-Europameisterschaft 2024 und die Touristenströme "keinen inflationären Effekt", fügt sie hinzu.
Die arbeitsintensiven Dienstleistungen, deren Preise im Juni wie im Mai um 3,9% gestiegen sind, verhindern einen schnelleren Rückgang der Inflation in Richtung des Ziels. Die Preise für Rohstoffe (+0,8%), Nahrungsmittel (+1,1%) und Energie (-2,1%) sind dagegen im Laufe des Jahres gesunken, was insbesondere auf den Abbau von Engpässen in der Lieferkette zurückzuführen ist.
Schleppende Wirtschaft
Die niedrigere Inflation in Deutschland ist eine gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft, da die deutsche Wirtschaft seit mehreren Monaten relativ "träge" ist. Die Industrie des Landes leidet unter einer vielschichtigen Krise: hohe Energiepreise, schwache Binnennachfrage und Schwierigkeiten im internationalen Handel. Eine wichtige Rolle spielen auch die steigenden Kreditkosten und die politische Unsicherheit aufgrund der regierungsinternen Meinungsverschiedenheiten zwischen Sozialdemokraten, Grünen und SDP-Liberalen über die Finanzpolitik, die die Investitionen hemmen. Die deutsche Arbeitslosenquote ist im Juni ebenfalls leicht gestiegen, zum ersten Mal seit Dezember.
Seit Beginn des zweiten Quartals war eine langsame wirtschaftliche Erholung prognostiziert worden, dank des steigenden Verbrauchs, der Exporte und der geldpolitischen Lockerung der EZB. Die Stimmung der Unternehmen und Verbraucher in Deutschland hat sich im Juni leicht verschlechtert, obwohl das Gegenteil erwartet worden war. Der Aufschwung in diesem Jahr sieht jedenfalls sehr schwach aus. Berlin rechnet mit einem Wachstum von nur 0,3%. Dies liegt deutlich unter den Brüsseler Prognosen für die Eurozone, die für dieses Jahr 0,8% und für das nächste Jahr 1,4% betragen.
Ermäßigter Satz
Trotz des Anstiegs der Inflation auf 2,6% im letzten Monat beschloss die EZB im Juni, ihren Leitzins zum ersten Mal seit fast fünf Jahren zu senken. Diese Entscheidung wurde von sehr vorsichtigen Äußerungen über die Zukunftsaussichten begleitet, da die Zentralbank davon ausgeht, dass die Inflation über weite Strecken des nächsten Jahres über ihrem Ziel von 2% liegen wird.
Dennoch gibt es immer weniger Zweifel an der Aussicht auf einen weiteren Rückgang. Letzte Woche hat der Gouverneur der slowakischen Zentralbank die Märkte beruhigt. Obwohl er eine straffe Geldpolitik befürwortet, sagte er letzten Donnerstag: "Ich denke, wir können in diesem Jahr mit einer weiteren Zinssenkung rechnen". Die Erklärung des slowakischen Zentralbankpräsidenten deutet zwar darauf hin, dass eine weitere Zinssenkung der EZB auf der geldpolitischen Sitzung am 18. Juli unwahrscheinlich ist, doch bestätigt sie, dass die Europäische Zentralbank tatsächlich in einen Lockerungszyklus eingetreten ist.
Die Märkte wetten auf drei Zinssenkungen
Die Geldmärkte wiederum wetten derzeit auf eine Zinssenkung der EZB um insgesamt 68 Basispunkte in diesem Jahr, wobei die Wahrscheinlichkeit einer dritten Zinssenkung nach den Zinssenkungen im Juni und September bei etwa 70% liegt. "Die EZB kann die Zinsen nur einmal pro Quartal senken, um den Einlagensatz bis Ende 2024 auf 3,25% zu bringen", schätzte Holger Schmieding von Berenberg Anfang Ju.
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