Das skandinavische Modell ist ein gutes Labor, um zu untersuchen, was mit der Wirtschaft eines Staates gemacht werden kann und was nicht. Trotz der recht stetigen Entwicklung und des Erfolgs der nordischen Länder im Laufe der Jahrzehnte wird die Wirksamkeit des "nordischen Sozialismus" heute oft in Frage gestellt. In der Tat haben weniger Staat und mehr wirtschaftliche Freiheit in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem erneuten Wachstum geführt.
Das nordische Modell wird als eine Kombination aus einem großen Wohlfahrtsstaat, einer dynamischen Wirtschaft und einer egalitären Gesellschaft dargestellt, wobei diese Faktoren scheinbar untrennbar miteinander verbunden sind. Eine Analyse der Fakten zeigt jedoch, dass in diesem Fall Kausalität und Korrelation zwei sehr unterschiedliche Dinge sind.
Nehmen wir das Beispiel Schweden. Zwischen 1870 und 1936 hatte Schweden das beste Wachstum unter den Industrieländern - die sehr gute Wirtschaftsleistung hielt bis in die 1970er Jahre an, und der Staat hatte fortschrittliche liberale Strukturen. Zwischen 1975 und 1995, als schrittweise eine sehr großzügige Sozialschutzpolitik eingeführt wurde, fiel das Land vom vierten auf den dreizehnten Platz unter den reichsten Ländern der Welt zurück. Ähnliche Beobachtungen können für andere skandinavische Staaten gemacht werden. Es zeigt sich, dass die Zeit des "sozialistischen Experiments" in Skandinavien sich negativ auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt hat und dass einige Strukturen in diesen Staaten die Auswirkungen noch heute spüren.
Während der Politik des so genannten "dritten Weges", die von den französischen Sozialisten gefördert wurde, war das Niveau des Unternehmertums in den skandinavischen Ländern am niedrigsten. Keines der 100 größten schwedischen Unternehmen, die heute tätig sind, wurde nach 1970 gegründet. Unternehmen wie Volvo, Scania, Electrolux und IKEA sind alle zu einer Zeit entstanden, als diese Länder Vorbilder des wirtschaftlichen Liberalismus waren. Es ist kein Geheimnis, dass übermäßige staatliche Eingriffe letztendlich zur Unterdrückung der Privatinitiative führen.
Die Lebenserwartung in diesen Ländern ist eine der höchsten in der OECD, aber das ist schon seit den 1960er Jahren der Fall. Was die Homogenität der sozialen Verhältnisse betrifft, so begann sich diese im späten 19. Jahrhundert zu entwickeln, nicht erst mit den in den 1970er und 1980er Jahren eingeführten sozialen Sicherheitsnetzen. Eine Erklärung für die Tendenz zum Egalitarismus in den nordischen Ländern könnte der besondere Charakter der nordischen Völker sein, der sich in dem Wunsch nach Gleichheit und Bescheidenheit auch auf nationaler Ebene ausdrückt. Manche gehen so weit, die Ursprünge des Egalitarismus bis ins Mittelalter zurückzuverfolgen: In diesen Ländern gab es keine für andere europäische Länder typischen feudalen Strukturen. Die Bauernhöfe waren klein und weit voneinander entfernt, abhängig von schwierigen klimatischen Bedingungen. Um zu überleben, mussten sie Entschlossenheit und Widerstandsfähigkeit zeigen. Man konnte sich nicht auf soziale Strukturen oder gar den Grundbesitzer verlassen, der einem die Bewirtschaftung seines Landes überließ. Diese frühe Zeit fördert noch heute Individualismus und Unternehmertum. "Hunger ist die beste Medizin", sagt ein altes schwedisches Sprichwort.
Exzessive Besteuerung und wirtschaftliche Freiheit
Mitte der 1990er Jahre waren die entwickelten Länder mit den höchsten Steuersätzen die skandinavischen Staaten: 49 Prozent in Schweden und Dänemark, 47 Prozent in Finnland und 41 Prozent in Norwegen. Betrachtet man dieselben Zahlen im Jahr 2012, so findet man hohe Quoten, die sich dem europäischen Durchschnitt annähern (44 Prozent in Schweden und Finnland, gegenüber 45 Prozent in Frankreich). Diese Länder scheinen sich dem oberen Ende der Laffer-Kurve genähert zu haben - dem Punkt, an dem die Steuereinnahmen ihren Höhepunkt erreichen, um dann wieder zu sinken. Wie ist es diesen Ländern also gelungen, das anhaltend hohe Steuerniveau zu kompensieren und gleichzeitig eine hohe Wirtschaftsdynamik aufrechtzuerhalten? Die Antwort ist einfach: Sie haben den Grad der wirtschaftlichen Freiheit erhöht.
Das dänische Flexicurity-System ist eines der besten Beispiele für die Kombination eines rentablen Arbeitslosenversicherungssystems mit einem flexiblen Arbeitsmarkt. In Frankreich z. B. wurde es sowohl von rechten als auch von linken Regierungen regelmäßig diskutiert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Schweden war während der experimentellen "sozialistischen" Periode das sozialistischste der nordischen Länder und ist dennoch das Land, das seitdem die besten Reformen durchgeführt hat und während der Krise 2008 eine beeindruckende wirtschaftliche Leistung zeigte.
Die skandinavischen Länder werden oft als Bastionen des Sozialismus wahrgenommen, aber in Wirklichkeit sind sie viel liberaler und kapitalistischer als sie erscheinen. Die Befürworter der Kommandowirtschaft müssen also woanders nach Beispielen für eine erfolgreiche sozialistische Politik suchen. Letztlich waren diese Länder gerade trotz ihres Sozialmodells erfolgreich, nicht wegen ihm. Wachstum und eine auf Vertrauen basierende Gesellschaft müssen zuerst erreicht werden, bevor man auf Sozialhilfe zurückgreift, nicht umgekehrt.
Soziale Herausforderungen
Die nordischen Länder haben ihren Bürgern stets hochwertige öffentliche Dienstleistungen in wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Seit den 1980er Jahren hat sich dieser Ansatz zu immer großzügigeren Leistungen, insbesondere für Arbeitslose, entwickelt. Seit den 1990er Jahren erhält ein Fünftel der schwedischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Vorruhestand. Ein eklatantes Beispiel für die Dysfunktionalität des Systems ist das folgende Paradoxon: Die Menschen in den nordischen Ländern sind im Allgemeinen bei guter Gesundheit, aber ihre Kosten für Krankheitsurlaub und Arbeitsunfähigkeit gehören zu den höchsten in der OECD. Es gibt sogar Fälle von 30-Jährigen, die Vorruhestandsleistungen erhalten. In Wirklichkeit handelt es sich bei diesen Leistungen um verdeckte Arbeitslosenunterstützung, die einen Teil der Bevölkerung in der Langzeithilfe hält.
Es gibt noch weitere Erscheinungen, wie z. B. das Fernbleiben von der Arbeit, das zunehmend als akzeptabel angesehen wird (während der Fußballweltmeisterschaft 2002 stieg die Zahl der Fehlzeiten bei männlichen Arbeitnehmern um 41 % gegenüber dem Jahresdurchschnitt!)
Ein weiteres wichtiges Thema, das den Arbeitsmarkt in diesen Ländern betrifft, ist die schlechte Integration von Migranten. Schweden hat eine höhere Arbeitslosenquote bei Ausländern als andere westeuropäische Länder und eine der höchsten in der OECD! Studien haben gezeigt, dass die am besten qualifizierten Migranten die Länder mit den höchsten Löhnen und den niedrigsten Steuern wählen; die am wenigsten qualifizierten hingegen wählen die Länder mit den großzügigsten Sozialleistungen und der höchsten sozialen Sicherheit.
Laut einer aktuellen Studie der Europäischen Kommission sind nur 1,6 % der hochqualifizierten Arbeitsplätze in Schweden mit Ausländern besetzt. Gleichzeitig ist das Lohnniveau für diese Arbeitnehmer in der Regel niedriger und ihre Arbeit entspricht oft nicht ihren Qualifikationen. In einer schwedischen Studie wurde auch das Lohnniveau von Migranten aus der Türkei und dem Iran verglichen, die in die USA und nach Schweden ausgewandert sind. Ihr Durchschnittslohn lag bei 61 % bzw. 74 % des schwedischen Durchschnittslohns, während der Durchschnittslohn solcher Migranten in Amerika 114 % bzw. 136 % des amerikanischen Lohns betrug.
Ein letzter Punkt, der oft hervorgehoben wird, ist die Gleichstellung der Geschlechter, die einer der Erfolge des skandinavischen Modells ist, wo Regierung und Parlament vollkommen paritätisch besetzt sind. Andererseits haben die nordischen Länder einen der niedrigsten Anteile von Frauen in Führungspositionen in Unternehmen.
Daher bleibt das "nordische Modell" ein eher umstrittenes Experiment. Die tiefe Integration der skandinavischen Länder in die Europäische Gemeinschaft, ihre Neutralität in den Weltkriegen und die besondere Mentalität ihrer Bevölkerung sind ebenfalls wichtige Erfolgsfaktoren. Obwohl die "sozialistische" Wirtschaft die Überwindung bestimmter finanzieller Schwierigkeiten ermöglichte, kann man heute sagen, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder eher behindert hat, unter anderem durch die Unterdrückung der Privatinitiative.
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